Skandinavische Ökologie
Die skandinavischen Länder sind ein beliebtes Phantasieobjekt für SchriftstellerInnen und PolitikerInnen und werden oft bewundert. In der kollektiven Vorstellung werden das nordische Modell und seine Ökologie regelmäßig idealisiert. Das skandinavische Modell hat jedoch seine Grenzen.
Scheinbare Perfektion beim Thema Nachhaltigkeit und Ökologie: Diese Fassade bröckelt, wenn man einen Blick dahinter wirft. Foto: msc
Schweden hat frühzeitig den Weg des ökologischen Wandels eingeschlagen und bereits 1991 eine Kohlenstoffsteuer eingeführt, um die Treibhausgase zu reduzieren. In fast 30 Jahren sind die bereits unter dem EU-Durchschnitt liegenden Emissionen im Land um 26% gesunken, obwohl das Wachstum stärker als anderswo war. In Sachen Ökologie sind die Schweden Meister im Recycling. Jeder Haushalt hat mindestens sieben Mülltonnen und einige Städte haben sogar eine Heizung entwickelt, die durch Verbrennung von Grünabfällen funktioniert. In Norwegen wird mittlerweile der gesamte Stromverbrauch des Landes aus Wasserkraft gedeckt. Und im Jahr 2018 waren 49,1% der von Norwegern gekauften Autos Elektroautos.
Auf den ersten Blick scheint es also so, als ob man solche Länder beneiden könnte. Angesichts dieses Erfolgs stellt sich jedoch die Frage, woher die Mittel stammen, die es Norwegen mit seinen knapp 5 Millionen Einwohnern ermöglicht hat, so schnell und effektiv auf grüne Energie umzusteigen. Diese Frage wirft einen Blick hinter die Kulissen, was man als das norwegische Paradoxon bezeichnen könnte. Das Geld, das hinter diesen grünen Initiativen steckt, ist mit schwarzem Gold unterzeichnet; es ist Öl-Geld, das einen großen Teil der ökologischen Errungenschaften des Landes finanziert. Darüber hinaus ist die Ölindustrie Norwegens keineswegs ein unbedeutender Akteur auf der globalen Energieszene. Der nordische Staat ist der größte Ölproduzent Europas und auf dem 15. Platz im globalen Vergleich.
Aber das ist noch nicht alles: Auch beim Konsum sind die Skandinavier weit davon entfernt, tadellos zu handeln. „In Schweden leben wir, als hätten wir 4,2 Planeten“, kritisierte kürzlich die schwedische Aktivistin und Figur im Klimakampf Greta Thunberg. Dort belaufen sich die konsumbasierten Treibhausgasemissionen laut der staatlichen nationalen Umweltschutzbehörde jedes Jahr auf etwa neun Tonnen pro Person. Das ist neunmal so viel wie nötig wäre, um den Temperaturanstieg bis 2050 „deutlich unter 2 Grad“ zu halten, so die lokalen Behörden.
Aber das ist noch nicht alles: Hinter diesem strahlend grünen Ideal verbirgt sich auch ein Land, das weiterhin den Walfang zulässt. In Norwegen wird der Walfang mit der Begründung fortgesetzt, dass Walfleisch eine beliebte Delikatesse der Einwohner sei. Einige Wissenschaftler, Umweltschützer und Tierschützer halten den Walfang jedoch für grausam und unethisch und im Widerspruch zu den Umweltschutzzielen des nordeuropäischen Landes stehend.
Obwohl wir noch viel vom skandinavischen Umweltmodell lernen können, sollten wir uns nicht von dieser grünen Utopie blenden lassen, sondern einen Blick hinter die Kulissen werfen.
Walfleisch gilt als beliebte Delikatesse: In Norwegen ist Walfang weiterhin erlaubt. Fotoquelle: Erik Christensen, Porkeri (Website - Contact), CC BY-SA 3.0 <http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/>, via Wikimedia Commons
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